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Mensch - einfach genial

Mensch – einfach genial: Eine Reise durch die menschliche Anatomie


Er ist Anatom, Lehrbuchautor und seit 2011 Inhaber des Lehrstuhls I an der Anatomischen Anstalt der Ludwig-Maximilian-Universität München. Die Rede ist von Prof. Dr. Jens Waschke. Zu seinen Veröffentlichungen zählt unter anderem der Sobotta – Atlas der Anatomie des Elsevier Verlags. Im Oktober letzten Jahres erschien sein Buch Mensch – einfach genial. Er zaubert den Leser aus der medizinischen Wissenschaft eine Reise durch die menschliche Anatomie. Wir haben mit dem Anatomieprofessor gesprochen und gefragt, welche Faszination die Lehre vom Körper auf ihn ausübt.

Prof. Dr. Jens Waschke
Prof. Dr. Jens Waschke ist Anatom und Autor des Buches „Mensch – einfach genial“ (Foto: Prof. Dr. Jens Waschke)

Prof. Dr. Waschke, was glauben Sie, wie gut kennt der Mensch den eigenen Körper?

Ich denke, dass die meisten Leute tatsächlich relativ wenig über ihren Körper wissen. Bei dem letzten Anatomie-Kongress in London wurde eine internationale Umfrage von Kollegen vorgestellt, in der sie herausfinden wollten, ob jemand aus der Bevölkerung einzelne Organe oder Körperteile richtig zuordnen kann. So stellte sich heraus, dass z.B. 89 % das Gehirn und 68 % den Musculus Bizeps korrekt zuordnen konnten – alles, was folgt, nimmt deutlich schnell ab. Manche Organe wie z.B. die Gallenblase oder die Nebenniere wurden im einstelligen Prozentbereich lokalisiert. Man beachte, dass es lediglich um die Frage der Lage der einzelnen Organe ging und nicht um die Funktion dieser. Die Ergebnisse sind aber nicht verwunderlich, denn man lernt es auch nicht. In der Grundschule z.B. werden die eigenen Sinne wie Auge und Ohr und in der Mittelstufe Sexualerziehung aufgegriffen – aber einen konkreten Überblick über die menschliche Anatomie lernt man schlichtweg nicht. Stattdessen wird z.B. in München in Heimat- und Sachkunde drei Wochen über das Oktoberfest gesprochen (lacht).

Glauben Sie, dass man mehr darauf eingehen müsste?

Ja, das denke ich in jedem Fall! Führt man sich vor Augen, womit sich der Mensch heutzutage beschäftigt, wie z.B. Achtsamkeit, gesunder Ernährung usw. wird schnell deutlich, dass das Bedürfnis sehr wohl da ist, auf sich und seinen Körper besser achtzugeben. Voraussetzung dafür allerdings ist, den eigenen Körper zu kennen und zu verstehen – und das ist nicht gegeben.

Was fasziniert Sie an der Anatomie?

Zum einen finde ich spannend, dass eigentlich alles am menschlichen Körper Anatomie ist – von der groben Zusammensetzung bis hin zu den einzelnen Organen und Zellen. Die gesamte Forschung, die in der Medizin betrieben wird, läuft auf Ebene der Zellen. Schön ist, dass ausgehend von der Anatomie immer eine Grundlage in die verschiedensten Fachgebiete gegeben ist. Was ich auch faszinierend finde, ist, dass über eine ganz lange Zeit – für über 1500 Jahre – die Medizin und die Anatomie eins waren. Sogar in der Renaissance waren die Leibärzte der Kaiser Chirurgen und Anatomen. Erst viel später wurden einzelne Disziplinen ausgegliedert. Die Anatomie blickt somit auf eine sehr lange Geschichte zurück – so bekommt man eine ganz andere Perspektive auf sein Fach.

Wie weit ist denn die Wissenschaft? Wie viel weiß man schon von der gesamten menschlichen Anatomie?

In dem, was mit dem bloßen Auge zu sehen ist, weiß man fast alles. Zwar werden einzelne Details immer mal wieder neu beschrieben und in der Presse vorgestellt, aber diese Neuheiten gab es meistens schon. Auf Zellebene hingegen ist das Wissen begrenzt – denn mit dieser hängt auch die Ursache vieler Krankheiten zusammen. Hiermit beschäftigt sich die gesamte medizinische Forschung. In meinem Buch Mensch – einfach genial gehe ich im Übrigen auch darauf ein, was in der menschlichen Anatomie bereits alles erforscht ist und was eben noch nicht, um der Allgemeinheit auch einen kleinen Einblick zu geben.

In Ihrem Buch Mensch – einfach genial vereinen Sie Anatomie und Alltag. Auf welche Beispiele trifft der Leser?

Der Eindruck, dass das Wissen über den eigenen Körper bei den meisten Menschen zu gering ist, beschäftigt mich schon lange. Als dann das Buch Darm mit Charme erschien, war ich überrascht, wie groß das Interesse an einzelnen Organsystemen ist. Da der Körper mehr als nur aus einem Organ besteht, habe ich mir überlegt, einen Überblick zu schaffen – daher gehe ich zunächst darauf ein, was ein Organ überhaupt ist. Anschließend gibt es zu jedem Körperabschnitt eigene Beispiele. Außerdem beschreibe ich akute medizinische Notfälle wie z.B. einen Herzinfarkt, wie dieser zur Stande kommt und wie er sich äußert. Oder aber, warum man nicht urinieren kann, wenn man eine große Prostata hat und warum eine Beckenbodeninsuffizienz zur Inkontinenz führen kann. Das sind Themen, die auch im Spiegel oder in der Süddeutschen Zeitung immer wieder Aufmerksamkeit finden, wie z.B. zuletzt die Relevanz der Organspende.

Gehen wir auf ein Beispiel doch ein: Würden Sie ein klein wenig spoilern und uns verraten, warum es keine Blinddarmentzündung gibt?

Hierbei geht es scherzhaft um die Begrifflichkeit (lacht). Die Appendizitis gibt es natürlich, nur ist nicht der komplette Blinddarm entzündet, sondern nur die Appendix, der Wurmfortsatz. Der Blinddarm ist nämlich nur ein Abschnitt des Dickdarms, an dem dieser Wurmfortsatz hängt – der Blinddarm selbst entzündet sich also nicht alleine. Es sei denn, es liegt eine chronische Darmentzündung wie Morbus Chron vor. Die Chirurgen verwenden aber den Begriff auch deswegen bewusst falsch, da es die Patienten sonst nicht verstehen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Angelika Dietrich bedanken. Wir haben viel über den Text diskutiert – sie hat oft Rückfragen gestellt, was ich konkret meine und wie eine Aussage zu verstehen ist. Da merkt man selbst, wie sehr man es gewohnt ist, Studierende zu unterrichten und vieles bereits voraussetzt. Dieser Austausch zwischen uns beiden hat dem Buch Mensch – einfach genial  wirklich sehr gutgetan.

Gehen Sie mit ähnlichen Beispielen in Ihre Vorlesungen?

Sagen wir so, die Erkrankungen sind natürlich dieselben – allerdings ist es so, dass zu dem Medizinunterricht ganz andere Details benötigt werden, wie z.B. bei den Organen die genaue Blutversorgung und Innervation. Muss man an einem Organ operieren, wie z.B. einen Magen entfernen, ist das Wissen über die genaue Arterienversorgung natürlich Voraussetzung. Interessanterweise stelle ich fest, dass im Buch viele Beispiele gelandet sind, die ich so über die Jahre in meinen Vorlesungen erzähle und aber auch umgekehrt. Jetzt erzähle ich Geschichten aus meinem Buch in den Vorlesungen, die ich vorher noch nicht so erzählt habe (lacht).

Gibt es eine Fortsetzung oder womöglich ein neues Herzensprojekt?

Die Intention dieser Buchveröffentlichung war, an der Gesundheitskompetenz etwas zu ändern und diese steht noch am Anfang – hier muss man sicherlich noch etwas warten, was das Buch angeht. Natürlich habe ich schon Ideen, was man darüber hinaus noch machen könnte. Ich habe sogar mit einem Krimi begonnen. Aktuell arbeite ich an der neuen Sobotta-Auflage und nebenbei mit meiner Softwarefirma quoWADIs an einem Lernprogramm der Anatomie, die wir komplett neugestalten wollen. Es gibt also noch genug zu tun.

Vielen Dank für das freundliche Gespräch!

Produktinfo

Mensch – einfach genial 


Elsevier


2019, 336 S., 95 Abb., € 18.00


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Juliane Beitz

Ist Teil des Redaktionsteams von frohberg und stellt im Blog interessante Neuerscheinungen und Kongress-Highlights sowie Klassiker für Medizin und Gesundheitsfachberufe vor.


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